Ein Mann fur alle Lagen

4. KAPITEL


Nichts habe ich mit dieser Frau gemeinsam, sagte Kate sich entschlossen, als sie durch die Hotelhalle ging. Und als Vorbild kann sie mich auch nicht gebrauchen. Dann entdeckte sie Peter, der auf sie wartete, und sofort fühlte sie sich an ihre früheren Verlobten erinnert. Auch er war hoch gewachsen, energisch, elegant und gut aussehend. Genau wie ihr Vater kam er mit langen Schritten auf sie zu und blickte lächelnd zu ihr herab. Kate hasste es, wenn Männer das taten. Dadurch fühlte sie sich immer so klein.

„Sie sehen phantastisch aus. Ich muss sie allen meinen Bekannten vorstellen“, sagte Peter, und einen Moment konnte sie ihn nur angewidert anstarren. Er behandelte sie, als sei sie etwas, das er sich erarbeitet hätte.

„Einen Augenblick bitte“, sagte sie und wich zum Empfangsschalter zurück. Doch dann riss sie sich zusammen. Schließlich konnte sie ihn nicht dort mitten in der Halle stehen lassen.

Jake hatte gesagt, dass er betrügen würde, und jetzt glaubte sie eher Jake als diesem Mann in seinem maßgeschneiderten Anzug.

Spontan wandte sie sich an Will, der hinter dem Schalter stand. „Haben Sie hier Ferngläser?“

„Nur kleine Operngläser.“ Will holte aus einer Schublade ein winziges Fernglas hervor. „Zum Vögel Beobachten reichen sie nicht aus. Wenn Sie es nicht eilig haben, könnte ich ein größeres Glas auftreiben.“ Sein offenes Lächeln verwirrte Kate. Wie kam ein so netter Mann zu so einem Haifisch wie Valerie?

„Das kleine reicht völlig“, sagte sie, steckte das Fernglas ein und ging zu Peter, der bereits ungeduldig auf seine Uhr sah.

Während sie zum Golfplatz gingen, nickte Peter nach rechts und links und legte Kate Besitz ergreifend die Hand auf den Rücken. Schließlich winkte er zwei Caddies zu sich heran. „Der Anfängerkurs ist überhaupt keine Herausforderung, Kate. Wenn Sie schon einmal Golf gespielt haben, sollten wir wirklich auf den Hügelkurs gehen.“ Gleichzeitig väterlich und herausfordernd lächelte er auf sie herab. „Der ist anspruchsvoller.“

Misstrauisch erwiderte Kate das Lächeln.

„So schwer, wie alle behaupten, ist er allerdings nicht.“ Peter lachte leise und reichte den Caddies ohne einen Blick die Schlägertaschen. „Ich spiele den Kurs regelmäßig unter Par, also besser als der Durchschnitt.“

Kate sah, wie die beiden Caddies sich zugrinsten. Offenbar hatte Jake Recht. Wieso traf sie bloß immer auf solche Typen?

„Wie wär’s mit einer Wette?“ schlug Peter beiläufig vor. „Sie bekommen zehn Punkte Vorsprung.“

Ich habe seit meinen Collegezeiten nicht mehr gespielt, überlegte sie. Das war vor vierzehn Jahren.

„Sagen wir fünfzig Dollar?“ schlug er vor.

Das kann ich nicht glauben, dachte sie. Er will mich ausnehmen. Aber ich lasse mich nicht mehr von Männern vorführen. Diesmal werde ich gewinnen, und nicht nur beim Golf.

Strahlend erwiderte sie sein Lächeln. „Wie wäre es mit hundert?“

Peter nickte beglückt. „Prima, gem.“

Kates Schlägerjunge schüttelte kaum merklich den Kopf, doch sie zwinkerte ihm zu. Verblüfft blickte er zu dem anderen Caddie hinüber.

Peters erster Schlag ging in ein angrenzendes Feld. Als er mit seinem Caddie den Ball suchen ging, holte Kate das Fernglas heraus und sah, wie Peter den Ball wieder auf die Bahn zurück kickte.

„Offenbar hat der Ball meines Gegners ein seltsames Eigenleben“, sagte sie leise.

„Das haben die Bälle Ihres Gegners meistens“, sagte ihr Caddie.

Kate blickte ihn an. „Sind Sie nicht Mark, der Barkeeper? Ich bin Kate, erinnern Sie sich? Sie erledigen hier wohl jede Arbeit, stimmt’s?“ Sie reichte ihm die Hand.

Mark begrüßte sie lächelnd. „Ja, ich studiere Hotelwirtschaft, und Will möchte, dass ich alles von der Pike auf lerne.“ Mit einem Blick in Peters Richtung fuhr er fort: „Auf dieser Bahn kann man leicht betrügen, und ich fürchte, Sie werden die Wette verlieren.“

„Nein“, widersprach sie. „Ich bin zum Gewinnen erzogen worden, und da werde ich heute keine Ausnahme machen.“ Sie legte den Ball auf den Abschlag und beförderte ihn weit die Bahn entlang.

„Ich denke, ich werde diese Runde genießen“, sagte Mark.

„Ich auch.“

Schon bald fand Kate heraus, dass sie Peter leicht hätte schlagen können, wenn er fair spielen würde. Doch erfolgreiche Männer waren es gewohnt, jeden Vorteil zu nutzen, ohne an Fairness zu denken. Das hatte Kate immer an ihnen gemocht.

Wie dumm ich war, stellte sie fest.

Mitfühlend lächelte Peter sie an.

Aber so dumm wie du bin ich nicht, dachte sie und erwiderte das Lächeln. Zu diesem Spiel gehören immer noch zwei. Mit diesem Gedanken stieß sie ihren Ball auf der vierten Bahn nach einem missglückten Schlag zurück auf die Bahn, ohne einen Moment zu zögern.

Peter wirkte erstaunt. „War Ihr Ball nicht im Gestrüpp gelandet?“

„Der muss wohl irgendwo abgeprallt sein“, erwiderte Kate, und Mark nickte ernsthaft.

Peter murmelte verärgert vor sich hin und ging zurück zu seinem Ball.

„Das kann ja heiter werden“, sagte Mark. „Sie machen das ausgezeichnet. Schade, dass Jake Sie nicht sehen kann.“ Auf Kates Blick hin gestand er: „Okay, er hat mich hergeschickt, um auf Sie aufzupassen.“

„Sie sind mein Babysitter!“ Kate seufzte auf.

„Sagen Sie ihm nicht, dass ich es erzählt habe“, bat Mark.

„Was erzählt?“ ging sie sofort auf ihn ein. „Jetzt aus dem Weg, mein Junge. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen.“

Das Spiel wurde immer absurder. Sie schlugen beide meistens, wenn der andere gerade nicht hinsah. Im Verlauf des Spieles schummelte Kate immer offensichtlicher und lachte schließlich laut auf. Peter wirkte allmählich ernsthaft verärgert und fast panisch.

„Das ist die einzige Art, wirklich Golf zu spielen“, sagte sie zu Mark. „Leider erkenne ich das erst jetzt. Den Mistkerl werde ich heute Abend ganz großzügig zum Essen einladen.“

„Hoffentlich übersteht er das Spiel.“ Mark blickte Peter besorgt an. „Er hat noch nie verloren, und so eine Gesichtsfarbe habe ich bei ihm auch noch nie gesehen.“

„Dem geht’s gut“, sagte Kate. „Nur noch ein Loch.“

Peter missglückte sein Schlag erneut, und der Ball landete im Unterholz. Er stolzierte hinterher und ließ seinen Caddie bei Kate und Mark.

Diesmal soll er mit seinen schmierigen Tricks nicht davonkommen, beschloss sie. Ich werde etwas unternehmen.

„Wir sollten mal hinterher gehen und ihm diesmal zusehen“, sagte sie, und die drei folgten Peter leise.

Sie kamen gerade rechtzeitig an, um zu sehen, wie Peter seinen Ball wütend zurück auf die Bahn schleuderte.

„Aber Peter!“ empörte Kate sich gespielt. „So etwas gehört sich doch nicht!“

Er fuhr beim Klang ihrer Stimme zu ihr herum und starrte sie zornig an. Dann wurde sein Gesicht aschfahl. „Kate“, krächzte er und brach zusammen.

„Peter?“ Kate beugte sich über ihn. „Es ist doch nur ein Spiel. Regen Sie sich doch nicht so auf. Peter?“

Sie kniete sich neben ihn auf den Boden. Er atmete nicht. „Rufen Sie den Notarzt“, sagte sie zu Mark und fing an, Peter zu beatmen.

Eine halbe Stunde später stand Jake kopfschüttelnd auf dem Golfplatz, als der Notarztwagen wegfuhr. „Erst Lance, und jetzt das hier.“

„Er lebt noch und kommt wieder in Ordnung“, erwiderte Kate. „Das hat der Arzt versichert.“

„Mit Ihnen ausgehen ist ja wie eine Verabredung mit dem Tod“, stellte Jake fest.

Kate fuhr zu ihm herum. „Niemand ist gestorben.“

„Noch nicht.“

Gerade wollte sie etwas erwidern, als ihr einfiel, dass Jake Mark geschickt hatte, um auf sie zu achten. Normalerweise sagten die Männer ihr nette Dinge und ließen sie dann allein zurechtkommen. Jake hingegen betrachtete sie als Bedrohung und sorgte sich dennoch um sie. Das war eine neue Erfahrung.

„Ich vergebe Ihnen“, sagte Kate. „Sie sind ein guter Mensch.“ Gutmütig lächelnd tätschelte sie ihm den Arm und ging davon.

„Wie bitte?“ fragte Jake verständnislos nach, doch sie war bereits weg.

„Ihr hättet sie sehen sollen“, erzählte Mark später Jake und Will. „Diese Frau braucht keinen Beschützer. Viel eher muss man andere vor ihr schützen. Tja, ich muss jetzt gehen.“

„Ich mache mir allmählich Sorgen um dich“, sagte Will zu Jake, als Mark verschwunden war. „Kate Svenson ist eine sehr attraktive Frau, doch das scheinst du noch gar nicht bemerkt zu haben. Manchmal habe ich den Eindruck, du lebst überhaupt nicht mehr.“

„Wenn ich noch weiter in der Nähe dieser Frau bleibe, ist mein Leben in Gefahr“, entgegnete Jake. „Denk doch an Lance gestern Abend. Glaubst du, ich will das nächste Opfer sein?“

„Nicht so vorschnell“, wandte Will nachdenklich ein. „Ich glaube, an dieser Frau ist mehr, als du denkst.“

„Moment mal“, beschwerte Jake sich. „Halt du dich an Valerie. Wenn dir etwas zustößt, muss ich mich allein um diese riesige Anlage kümmern.“

„Mit etwas Glück werde ich Valerie ohne jede Mühe los“, sagte Will. „Dieser Donald Prescott, der jedem erzählt, er sei Börsenmakler, arbeitet in Wirklichkeit für die Eastern Hotels. Er versucht, Valerie für seine Hotelkette abzuwerben.“

Jake blickte verwundert auf. „Woher weißt du das?“

Verächtlich winkte Will ab. „Ach, den habe ich letztes Jahr in New Orleans bei einer Veranstaltung kennen gelernt, aber er kann sich daran natürlich nicht erinnern.“

„Und du freust dich, dass er dir Valerie wegschnappt?“

Will seufzte auf. „Weißt du, was ihre neueste Idee ist? Sie will eine Country-Bar eröffnen und Nancy aus dem Geschäft drängen. Als ob ich bei so etwas mitmachen würde!“

„Hast du ihr das nicht gesagt?“

„Ja, aber da bekam sie wieder diesen Blick, der mir signalisiert: Wir werden ja sehen.“

„Verstehe schon. Diesen Blick kenne ich.“ Jake nickte.

„In letzter Zeit ist sie wirklich seltsam. Ich glaube, du hast Recht. Sie will mich heiraten. Unfassbar.“

Jake schloss die Augen. „Wieso? Immerhin seid ihr drei Jahre zusammen. Was erwartest du?“

„Sie hat immer nur über das Geschäft und ihre beruflichen Pläne gesprochen.“ Will stützte den Kopf in die Hände. „Wie konnte ich bloß in so etwas hineingeraten?“

„Ich bin nicht dafür, dass du Valerie heiratest“, sagte Jake, „aber nachdem ihr so lange Zeit zusammen seid, musst du dich nicht wundem, dass sie sich Hoffnungen macht.“

Will seufzte.

„Lass den Kopf nicht hängen. Vielleicht macht ihr dieser Donald ein so gutes Angebot, dass sie von hier verschwindet, bevor sie merkt, dass du sie niemals heiraten würdest und dich umbringt.“

„So etwas Emotionales würde Valerie nie tun“, sagte Will. „Da verwechselst du sie mit Kate.“

„Die beiden könnte ich niemals verwechseln“, erwiderte Jake. „Valerie und Kate sind vollkommen verschieden.“

Kate ging zurück zu ihrem Apartment und versuchte, sich für das zu schämen, was geschehen war. Es klappte nicht.

Vielleicht hätte eine Frau, die heiraten wollte, Peter gewinnen lassen. Aber alles hatte Grenzen.

Andererseits durfte sie nur wegen dieses einen Nachmittags nicht aufgeben. Nur weil sie mit Lance und Peter schlechte Erfahrungen gemacht hatte, hieß das nicht, dass alle Männer schlecht waren. Nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit würde sie beim nächsten Mal umso eher Glück haben.

Ihr Traummann sollte also nicht nur erfolgreich und gebildet, sondern auch fürsorglich und ehrlich sein. Eine Mischung aus Jake und ihrem Vater. Das war schwer vorstellbar. Konnte man einen Haifisch mit einem Teddybären kreuzen? Gerade wollte sie ins Bad gehen, als das Telefon klingelte.

„Bist du schon verlobt, Kate?“ begrüßte Jessie sie. „Immerhin bist du schon vierundzwanzig Stunden dort.“

„Spaßvogel. So schnell geht das leider nicht. Und allmählich zweifle ich an meinem Plan. Vielleicht habe ich falsche Vorstellungen.“

„Na endlich. Lass mich mal raten. Du hast vornehme, reiche Kerle getroffen, aber das war nicht sehr lustig. Und jetzt siehst du ein, dass du auf dem Holzweg bist.“

„Nein.“ Kate zögerte. „Na ja, ich habe zwei Fehlschläge hinter mir.“

„Aber du hast gelächelt und die feine Dame gespielt, stimmt’s?“

„Nein. Den einen habe ich in den Pool gestoßen, und den anderen habe ich auf dem Golfplatz zu einem Herzanfall getrieben.“

„Wie bitte? Ist da tatsächlich jemand gestorben?“

„Nein. Peter hatte wirklich einen Herzanfall, aber Jake tauchte auf und hat mich bei der Mund-zu-Mund-Beatmung abgelöst, bis der Notarzt kam.“

„Wer ist Jake?“

„Nicht wichtig. Peter geht es schon besser.“

„Und du hast versucht, ihn umzubringen?“

„Ich habe ihn lediglich beim Golf geschlagen. Er hat betrogen und es deshalb verdient.“

„Du hast ihn auffliegen lassen. Gut so.“

„Jake hatte mich gewarnt, aber ich …“

„Wer ist Jake?“

„Niemand. Ich habe dann auch betrogen.“

„Was? Du hast betrogen?“

„Es war nur gerecht. Vielleicht lag das an dem Bier heute Vormittag.“

„Spreche ich mit Kate Svenson? Du hast heute früh Bier getrunken?“ hakte Jessie nach.

„Jake hatte nichts anderes dabei, und ich war in diesem alten Boot mitten auf dem See mit ihm. Er ist nur eine Aushilfe hier, glaube ich.“

„Du hast den Vormittag Bier trinkend in einem Boot verbracht? Mit einem Mann, von dem du glaubst, er sei eine Aushilfe?“

„Genau.“

„Ich sollte besser zu dir kommen. Das klingt überhaupt nicht wie die Kate, die ich kenne.“

„Mir geht’s gut“, versicherte Kate. „Mit meinen Verabredungen kann es nur besser werden. Ich muss an dem Plan nur einige Veränderungen vornehmen.“

„Je mehr du daran änderst, desto besser. Aber ruf mich an, bevor du etwas Entscheidendes unternimmst.“

„Weil du dich mit Männern so gut auskennst? Vergiss nicht, ich kenne dein Liebesleben genau“, wandte Kate ein.

„Wenigstens habe ich hin und wieder ein Liebesleben“, stellte Jessie klar. „Du suchst immer noch nach dem idealen Mann. Wieso vergisst du den blöden Plan nicht und verliebst dich einfach?“

„Richtig. Und dann bleibe ich an so einem Verlierer hängen. Jemandem wie … Ach, egal.“

„Erzähl mir mehr von Jake“, bohrte Jessie weiter.

„Vergiss ihn. Aber es gibt da noch ein paar interessante Kandidaten.“ Donald, Eric, und Rick waren auch sehr nett. „Jessie? Danke für die Idee mit dieser Reise. Ich habe viel Spaß hier.“

„Tja, ruf mich wieder an. Du benimmst dich sehr seltsam.“

„Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass es mir so gut geht“, sagte Kate.

Später am Nachmittag fand Kate Penny von Männern umringt am Pool vor. Zufrieden legte sie sich auf einen der Liegestühle. Mark spielte wieder den Barkeeper, und obwohl es dieselben Leute wie am Vortag waren, lächelte Kate ihnen jetzt zu, wenn sie vorüberschlenderten, und alle erwiderten ihr Lächeln.

Jake und Will saßen an der Bar vor einem Aktenordner und unterhielten sich angeregt. Hin und wieder lachten sie auf. Jake sah in seinem alten T-Shirt und den verwaschenen Jeans blendend aus. Zu schade, dass er nicht ihr Typ war. Will kam an ihr Ideal schon eher heran in seinem Designerhemd und der maßgeschneiderten Hose. Kein Wunder, dass Valerie sich so bemühte. Es kam Kate komisch vor, dass diese beiden Männer befreundet waren. Andererseits ähnelten sie sich in gewisser Weise.

Kate bemerkte, dass ein junges Mädchen zu Will und Jake hinüber sah. Wenn sie es auf Will abgesehen hatte, würde sie sicher großen Ärger mit Valerie bekommen. Aber der Gedanke, dass sie sich Jake angelte, behagte Kate merkwürdigerweise auch nicht.

Einer von Pennys Bewunderern kam zu ihr herüber und lächelte. Kate erinnerte sich vage an ihn. Er sah gut aus, und sein blondes Haar war modisch kurz geschnitten. Die helle Kleidung saß perfekt, und er behielt seine Hände bei sich. Das gefiel Kate am besten an diesem Mann.

„Ich bin Donald Prescott, erinnern Sie sich? Sie haben eine unglaubliche Ausstrahlung.“

„Kate Svenson.“ Lächelnd reichte sie ihm die Hand. „Vielen Dank, Donald.“ Statt Ausstrahlung würde ich lieber Sex-Appeal besitzen, dachte sie mit einem Blick auf Penny in ihrem Bikini.

Penny winkte ihr zu. „Schön, dich zu sehen.“ Einen Augenblick war Kate sprachlos, weil es so aufrichtig klang. Penny war wirklich ein freundlicher Mensch. Ich sollte netter zu ihr sein, dachte Kate. Oder besser, ich sollte etwas mehr so sein wie sie.

Donald redete auf Kate ein, doch sie konnte sich kaum konzentrieren. Sie hatte bemerkt, dass eine junge Frau immer wieder zu Jake und Will hinüber sah, die beide an der Bar saßen und sich unterhielten. Die Männer beachteten die junge Frau nicht. Gut so, dachte Kate. Sie ist viel zu jung für die beiden.

„Jake sieht Will irgendwie ähnlich“, sagte sie zu Penny gewandt. „Die beiden könnten Brüder sein, ihr Haar hat genau denselben Braunton.“

„Es sind Brüder“, erwiderte Penny und lachte.

Verblüfft blickte Kate zurück zu Jake. „Jake arbeitet als Hilfe im Hotel seines Bruders?“

„Jake ist Teilhaber und hilft seinem Bruder mehr aus Spaß bei der Arbeit. Dafür braucht er für sein Apartment keine Miete zu zahlen.“

Kate runzelte die Stirn. „Jake ist Teilhaber?“

„Er war Steuerberater in Boston, bevor er wieder hierher nach Hause kam. Sieht er mit dem Cowboyhut nicht gut aus?“

„Ein Steuerberater?“

„Er muss viel Geld verdient haben. Dann hat er sich zurückgezogen, glaube ich.“ Penny überprüfte in einem kleinen Taschenspiegel ihr Make-up. „Wollen wir heute Abend nicht in diese Bar gehen, von der Valerie gesprochen hat? ‚Nancy’s’?“

„Heute ist Sonntag. Da ist sie geschlossen.“ Kate sah immer noch fassungslos zu Jake hinüber. „Jake war ein Steuerberater?“

„Was macht das schon? Jetzt ist er es nicht mehr.“ Penny zog mit dem Lippenstift die Konturen ihres Mundes nach. „Dann sollten wir morgen in diese Bar gehen. Ich finde, jemand sollte Nancy warnen, dass Valerie sie aus dem Geschäft verdrängen will.“

„Ich weiß nicht, Penny.“ Kate konnte den Blick nicht von Jake wenden. „Vielleicht sollten wir uns da nicht einmischen.“

„Na ja, das sehen wir dann schon. Ich wollte Nancy sowieso kennen lernen. Alle sagen, sie sei sehr nett. Kommst du mit?“

„Na klar“, antwortete Kate geistesabwesend. Jake und Will nickten einander zu, und dann ging Will ans andere Ende der Bar, um einen Gast zu bedienen. Jake machte sich Notizen und wirkte sehr konzentriert. So ähnlich muss er früher auch gewirkt haben, dachte Kate. Aufmerksam, intelligent und kühl. Dann konnte sie beinahe sehen, wie Jake sich wieder aus dieser Rolle herausriss. Er zerknüllte kopfschüttelnd einen Zettel und schloss den Aktenordner. Als Will zurückkam, schob Jake ihm die Akte zu, als wolle er nichts mehr damit zu tun haben.

Ein Steuerberater, der Rasen mäht, dachte Kate. Immer langsam und bedächtig, aber sofort zur Stelle, wenn jemand Hilfe braucht. Einerseits Wills arbeitsloser Bruder, aber Will hört auf ihn, als sei Jake der Experte. Zum Glück ist er nicht mein Typ, stellte sie fest. Aber bei ihm fühle ich mich wohler als bei jedem anderen Mann.

Donald riss sie aus ihren Gedanken heraus. „In ‚Toby’s Corners’ gibt es ein Geschäft, das solche Cowboyhüte verkauft“, teilte er Penny und ihr mit.

„Klasse“, sagte Penny sofort und sah Donald an.

„Klasse“, stimmte auch Kate zu und blickte zu Jake.





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