Ein Mann fur alle Lagen

3. KAPITEL


Das Wasser des kleinen Sees schimmerte grünlich, und am steinigen Ufer lag ein altes, schmales Ruderboot.

„Und das schwimmt?“ fragte Kate misstrauisch.

„Ja, sicher.“ Jake warf seine Tasche hinein. „Sie müssen ja nicht unbedingt darin herumspringen.“

„Es gibt keine Sitze“, stellte sie fest.

„Jemand hat sie herausgerissen, um sie als Ruder zu benutzen.“ Er schob das Boot weiter ins Wasser. „Nehmen Sie die Kissen, wenn Sie mitkommen wollen.“

Kate blickte sich um. Valerie war zwar außer Sicht, aber sie wollte kein Risiko eingehen. Vorsichtig stieg sie in das Boot und stapelte die Plastikkissen zu zwei Haufen. Dann setzte sie sich auf einen der Stapel. Jake stieg in das andere Ende und stieß das Boot ab. Kurz darauf fing er an zu rudern. So energisch hatte Kate ihn noch nie gesehen, doch auch jetzt noch bewegte er sich langsam und gleichförmig. Schweigend sah sie zu, wie seine Armmuskeln sich anspannten, während er die Ruder tief durchs Wasser zog.

Er ruderte sie ans andere Ufer unter den Schatten einer Weide und befestigte das Boot an einem überhängenden Zweig. Aus den Kissen machte er sich eine Rückenlehne und legte sich aufseufzend zurück. Kate folgte seinem Beispiel und beobachtete ihn. Er bewegte sich niemals schnell, aber stets sehr wirkungsvoll. Mit einer einzigen fließenden Bewegung warf er die Angel aus und steckte die Rute im Boot fest. Im nächsten Augenblick zog er sich Hemd und Schuhe aus.

Seine Schultern waren breit und die Muskeln schienen eher von körperlicher Arbeit zu stammen als vom Fitnesstraining. Er beugte sich zu ihr vor, und Kate erstarrte, weil sie an Lance denken musste, doch er reichte ihr nur die zweite Angel. „Bier ist in der Kühltasche“, sagte er und legte sich wieder zurück. Den Hut schob er sich so weit ins Gesicht, dass sie nur noch seinen Mund sehen konnte.

Ratlos blickte Kate auf ihre Angel. „Jake“, sagte sie leise. „An meinem Haken ist kein Köder.“

„Wenn man einen Köder benutzt“, sagte er geduldig unter seinem Hut, „fängt man einen Fisch.“

Sie wartete auf weitere Erklärungen, aber das war’s. Offenbar bedeutete Angeln für Jake, dass man halb nackt unter einer Weide schlief. Das war gar nicht so unsinnig. Kate mochte ohnehin keinen Fisch essen.

Sie warf die Leine aus, befestigte die Angelrute und streckte sich im Boot aus, wobei sie darauf achtete, Jakes Beine nicht zu berühren. Während sie auf das Plätschern des Wassers hörte, blickte sie in die Weidenzweige hinauf und in das raschelnde Laub. Unwillkürlich fing sie an, sich mehr zu entspannen als seit Wochen. Vielleicht hielt hier draußen die Zeit an, und nichts war mehr wichtig. Lächelnd beobachtete sie die Wolken, die sie durch die Zweige hindurch erkennen konnte.

Nach einer Weile sah sie zu Jake. Seine Brust hob und senkte sich langsam im Schlaf. Unwillkürlich passte sie sich seinem Atemrhythmus an und spürte, wie die letzte Anspannung von ihr abfiel.

Schade, dass er nicht mein Typ ist, dachte sie. Er sieht wirklich gut aus und ist der am stärksten in sich ruhende Mensch, den ich jemals kennen gelernt habe. Aber er passt ganz eindeutig nicht in meinen Plan. An diesem Mann ist nichts Ehrgeiziges, und er würde in der Stadt gnadenlos untergehen.

Dennoch war es nett, sich in Begleitung eines Mannes einmal zu entspannen. Auch wenn dieser Mann schlief.

Ihre Angelrute bog sich ruckartig nach unten.

Kate fuhr hoch und hielt die Angel fest. „Jake“, sagte sie leise, doch er rührte sich nicht. „Jake“, wiederholte sie lauter.

Der Fisch zog wieder an ihrer Angel. „Jake!“ schrie sie und stieß ihn mit dem Fuß an.

„Was gibt’s?“ fragte er unter seinem Hut hervor.

„Ich habe einen Fisch.“

„Wie schön.“

„Ich will ihn aber nicht.“

„Dann werfen Sie ihn zurück.“

„Jake.“

Gähnend setzte er sich auf und schob den Hut zurück. „Wenn ich gewusst hätte, dass Sie so anstrengend sind, hätte ich Sie nicht mitgenommen.“

„Das war doch keine Absicht.“ Sie zog die Leine ein, und ein kleiner Fisch kam aus dem Wasser. Kate versuchte vergeblich, ihn zu fangen, doch der Fisch pendelte immer nur haarscharf an Jakes Gesicht vorbei. Schließlich fing er den Fisch, befreite ihn vom Haken und warf ihn ins Wasser zurück.

„Danke“, sagte sie nur. „Haben Sie ein Messer dabei?“

„Kommt drauf an, wofür Sie es brauchen.“

„Um den blöden Haken abzuschneiden, bevor noch andere Fische versuchen, an dieser Angel Selbstmord zu begehen.“

Lächelnd reichte er ihr sein Taschenmesser, und sie schnitt die Angelschnur dicht über dem Haken durch. Dann gab sie Jake Messer und Haken zurück. Aufseufzend warf sie die Angel wieder aus und lehnte sich zurück. „Vielen Dank. Tut mir Leid, dass ich Sie gestört habe.“

„Macht gar nichts.“ Er wollte sich gerade wieder zur Ruhe begeben, als er noch einmal innehielt. „Müssen Sie zu einer bestimmten Zeit wieder zurück sein?“

„Ich spiele um zwei mit irgendeinem Peter Golf“, sagte sie. „Aber wenn ich viel früher wieder zurück bin, verdonnert Valerie mich dazu, mit irgendwelchen fremden Menschen Spielchen zu machen. Glauben Sie mir, ich habe es nicht eilig.“

„Mit Valerie sollten Sie sich nicht anlegen“, stimmte Jake zu. „Dann spielen Sie also auf den Hügeln Golf?“

„Was? Die schwere Bahn? Auf keinen Fall“, erwiderte Kate. „Wir gehen auf den Anfängerkurs hinter dem Hotel.“

„Wenn ich mich nicht täusche, dann schummelt dieser Peter“, sagte er. „Und das fällt auf der schweren Bahn leichter.“

„Er betrügt nicht.“ Kate sah ihn verärgert an. „Ein Blick reicht, und man weiß, dass ein Mann wie er von Grund auf ehrlich ist.“

„Das sind die schlimmsten. Sie dürfen auf keinen Fall mit ihm wetten. Weder um Geld noch um sonst irgendetwas, das Ihnen etwas bedeutet.“

„Sehr lustig“, erwiderte sie. „Das kann ich nicht glauben. Wer behauptet das?“

„Die Caddies tragen gern die Schläger für ihn, weil er ihnen viel Trinkgeld gibt, damit sie ihn nicht verraten“, teilte Jake ihr mit. „Das Pro-Kopf-Einkommen der Caddies hat sich stark erhöht, seit der gute Peter hier bei uns ist.“

„Das kann ich nicht glauben.“ Kate machte es sich bequem. „Er wirkt gar nicht so.“ Obwohl sie wusste, dass Jake sie beobachtete, wurde sie schläfrig und nickte ein.

Jake sah sie an und stellte fest, dass sie im Schlaf viel verletzlicher aussah. Dennoch strahlte sie eine unantastbare Kühle aus, und das war auch gut so, denn sonst hätte er sich leicht zu ihr hingezogen gefühlt. Doch Tiffany war ihm Lehre genug gewesen. Sie hatte gedacht, jemanden zu heiraten, der genauso ehrgeizig war wie sie selbst, aber nach ein paar Monaten hatte sie festgestellt, dass das Leben für Jake nur ein Spiel war und sie ihn nicht ändern konnte. Nach nicht einmal einem Jahr waren sie wieder geschieden worden.

Dabei hatten sie sich beide nie etwas vorgemacht. Aber die körperliche Anziehung war so stark gewesen, dass sie die Unterschiede nicht hatten wahrnehmen wollen.

Er betrachtete Kate wieder und rief sich ins Gedächtnis, dass körperliche Anziehung als Basis für eine Beziehung nicht ausreichte. Aber diese Frau war eine äußerst angenehme Gesellschaft.

Dabei war sie keineswegs langweilig. Gestern Abend hatte er tatsächlich seinen Eltern und seinem Onkel von ihrer Auseinandersetzung mit Frank und Lance erzählt.

„Klingt, als wäre sie das weibliche Gegenstück zum ‚Terminator’ “, hatte Will gelästert.

„Das ist sie auch“, hatte Jake erwidert. Im Moment wirkte sie allerdings völlig harmlos. Vielleicht konnte er in ihr eine Art Schwester sehen. Eine Freundschaft mit einer Frau wie ihr könnte nett sein, und er begab sich nicht in Gefahr, weil sie einen Yuppie suchte und er nicht vorhatte, mit ihr etwas anzufangen. Mit diesen Gedanken lehnte er sich auch wieder zurück und schlief weiter.

Am späten Vormittag wachte Kate auf. Sie hatte sich im Schlaf gedreht, und ihre Beine lagen mit Jakes verschränkt. Beim Strecken strich sie an Jakes Schenkel entlang. Fast war sie versucht, mit einem Zeh in seine Shorts zu fahren, doch errötend schob sie diesen Gedanken beiseite. Sie war an ihm nicht interessiert, und wenn er einen Annäherungsversuch machte, würden sie mit dem Boot untergehen.

Sie setzte sich auf und merkte, wie hungrig sie war. Valerie hatte sie vom Frühstück abgehalten, und mittlerweile war es fast Mittag. In der Kühltasche war nur Bier, aber Hopfen und Malz sättigten schließlich auch. Kate griff sich ein Bier und genoss die herrliche Ruhe auf dem See.

Nach den ersten Schlucken gestand sie sich ein, dass Jake eigentlich einer der Gründe war, weswegen sie sich so wohl fühlte. Er war ein sehr angenehmer Gefährte, fast wie ein Bruder. Sie hatte nie einen Bruder gehabt, und Jake war vertrauenswürdig, lustig und nett, aber das war ein Dackel auch. Dabei hatte ich nie einen Dackel, überlegte sie. Vielleicht ist Jake noch netter als ein Vierbeiner.

Beim zweiten Bier überlegte sie, ob sie sich einen Hund anschaffen sollte. Doch der würde den ganzen Tag allein im Apartment sein, und sie wäre die ganze Nacht über allein. Hör auf, Kate, sagte sie sich. Nur kein Selbstmitleid.

Sie wollte gerade die zweite Dose Bier, die sie geleert hatte, zurückstellen, als sie bemerkte, dass Jake gar nicht schlief. Kate beugte sich vor und schob ihm den Hut aus dem Gesicht. Schläfrig blinzelte er sie an.

„Hallo“, begrüßte sie ihn lächelnd. „Ein Bier?“

„Das wäre schön.“

Sie ließ ihm den Hut wieder ins Gesicht fallen und öffnete eine Dose für ihn. Die drückte sie ihm in die ausgestreckte Hand und genehmigte sich die dritte Dose. Der Himmel war jetzt noch blauer, und die Sonne war gewandert, sodass das Boot nicht mehr ganz im Schatten lag. Während sie trank, beneidete sie Jake, der sein Hemd ausziehen konnte, wenn er schwitzte. Wie ungerecht das Leben doch war!

Das dritte Bier war wegen der Hitze noch schneller ausgetrunken als das zweite, und Kate wurde etwas schwindlig. Sie schob das auf die Hitze und machte die vierte Bierdose auf.

Bei diesem Geräusch hob Jake kurz den Hut, legte sich dann jedoch schulterzuckend nach hinten. Kate kühlte sich mit der Dose den Hals.

Ein weiterer Blick auf Jake, der ohne sein T-Shirt sicher nicht schwitzte, ließ sie den letzten Zweifel vergessen. Entschlossen zog sie die Bluse aus. Jetzt trug sie nur noch einen weißen BH aus Satin und Spitze. Darin bin ich stärker verhüllt als mit einem Bikinioberteil, beruhigte sie ihr Gewissen. Gelassen warf sie die Bluse in die Mitte des Bootes und trank ihr Bier.

Jake hob den Kopf, als die Bluse sein Bein berührte. „Es ist angenehmer so, stimmt’s?“

„Richtig.“

„Aber bitte nicht mehr ausziehen. Sonst erschrecken Sie die Fische.“

Nickend winkte sie ihm mit der Bierdose und planschte mit einer Hand im Wasser. „Hallo, kommt her, Fische.“

„Kate, haben Sie heute schon etwas gegessen?“

„Überhaupt nichts.“ Traurig drehte sie die leere Dose um.

Jake beugte sich vor und zog die Kühltasche aus ihrer Reichweite. „Geben Sie mir die Dose.“

Sie lehnte sich zu ihm, um ihm die Dose zu reichen, und dabei wippten ihre festen, wohl gerundeten Brüste.

Jake betrachtete sie, als er die Dose entgegennahm. „Schöner BH.“

„Vielen Dank, der ist ganz neu.“

Er lachte auf. „Schlafen Sie lieber weiter. Wenn Sie wieder aufwachen, fahren wir zurück.“

Es fiel ihm schwer, in ihr eine Schwester zu sehen. Und von einer Frau wie ihr hätte er nicht angenommen, dass sie solche Unterwäsche trug. Sie wirkte eher, als trage sie lieber schlichte Baumwolle. Offenbar unterdrückt sie ihre Wünsche, überlegte er. Unter der förmlichen Kleidung trägt sie Reizwäsche, und sie zieht Leute wie Lance an, die sie dann wieder abblitzen lässt. Aus diesem Verhalten wurde er nicht schlau, aber schließlich musste er es ja auch nicht verstehen.

Eine Stunde später weckte Jake Kate, indem er an ihrem Fuß rüttelte. Unbeholfen setzte sie sich auf, und beim Anziehen ihrer Bluse fand sie zunächst den Ärmel nicht.

„Zeit zum Heimfahren“, sagte er.

„Wir hätten Proviant mitnehmen sollen“, stellte Kate fest.

„Wie geht es Ihnen?“

Kate dachte nach. Beschwingt, entspannt und leicht erregt – das konnte nur eines bedeuten. „Ich bin betrunken.“

„Das habe ich mir gedacht. Knöpfen Sie Ihre Bluse zu.“ Er machte das Boot los und ruderte zurück zum anderen Ufer.

Angestrengt versuchte Kate, die Bluse zuzumachen, und überlegte, wer so etwas wie Knopflöcher wohl erfunden hatte, als Jake das Boot an Land zog und festmachte. Unsicher stieg sie aus und zog die Kühltasche und die Angeln hinter sich her.

„Augenblick mal“, sagte er und drehte sie zu sich herum. „Wer hat Ihnen denn das Anziehen beigebracht?“

Sie hatte ein paar Knöpfe übersehen. Die restlichen waren falsch geknöpft. Aufseufzend blickte sie an sich herunter, während Jake ihre Bluse richtig zuknöpfte. Als er dabei mit einem Finger ihre nackte Haut berührte, lehnte sie sich ihm unwillkürlich entgegen.

Jake hielt inne. „Nicht schwanken, ich bin gleich fertig.“ Anschließend drehte er sie um und gab ihr einen leichten Schubs. „Auf geht’s, aber nicht zu schnell. Ich bin direkt hinter Ihnen.“ Er führte sie auf einem anderen, kürzeren Pfad direkt zu den Häuschen, damit sie nicht am Hotel vorbei mussten. Dann fragte er sie nach dem Schlüssel.

„Der ist in meinem BH“, sagte sie und suchte danach. Er war unter eine Brust gerutscht, aber sie fand ihn trotzdem und reichte ihn Jake.

Der Schlüssel war noch warm von ihrer Haut. „Ein Wunder, dass da noch Platz für einen Schlüssel war“, bemerkte er trocken und schloss die Tür auf.

Sie ging zum Bett, drehte sich um, winkte Jake zu und fiel rücklings auf die Matratze. Jake hob ihre Beine aufs Bett und zog sie dann unter den Achseln ein Stück höher.

Er sieht so niedlich aus, dachte sie, als er sich über sie beugte. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und zog ihn zu sich herunter.

„Du bist der Bruder, den ich nie hatte“, murmelte sie mit schwerer Zunge.

„Ich kann gar nicht sagen, wie glücklich mich das macht“, antwortete Jake, und dann schlief sie in seinen Armen ein.

Kopfschüttelnd kehrte er zum Hotel zurück. Jemand musste auf diese Frau aufpassen, aber er wollte das nicht sein. Der Gedanke an ihre weichen runden Brüste verunsicherte ihn. Er musste sich ständig daran erinnern, dass sie einen kalten Verstand und einen unbändigen Ehrgeiz besaß.

Dann sah er sie wieder vor sich, wie sie ihn im Boot angelächelt hatte. Immerhin war sie sehr freundlich und gesellig gewesen. Und sie schien keine Hintergedanken zu hegen. Das verletzte ihn beinahe ein bisschen, immerhin war sie sehr attraktiv. Und bei weitem nicht so kühl, wie er gedacht hatte.

Am besten hielt er sich von ihr fern. Beim Golfspielen konnte sie wohl kaum in Schwierigkeiten geraten. Doch dann fiel ihm wieder ein, mit wem sie Golf spielte. Er seufzte. Sie brauchte wirklich einen Aufpasser.

Eine Stunde später wachte Kate auf und machte sich auf die Suche nach etwas zu essen, um die Wirkung des Alkohols zu bekämpfen. Es verblüffte sie, dass Penny in dem gut besuchten Speisesaal allein am Tisch saß.

„Oh, hallo, Kate. Setz dich doch bitte.“

Es machte sie glücklich, dass sich jemand freute, sie zu sehen, und Kate setzte sich lächelnd zu ihr. Penny war zwar nicht sehr klug, aber sehr herzlich und offen. Kate fragte sich, wie Penny bei ihrer Erfahrung mit Männern noch so gutgläubig sein konnte.

„Kein Chad bei dir?“

Penny schüttelte den Kopf. „Das war gestern. Heute ist Sonntag.“

„Du wechselst Männer wie die Unterwäsche?“

„Genau.“ Penny kicherte.

Kate war immer noch leicht angeheitert und redete drauflos. „Willst du denn wirklich heiraten?“

„Ja, sicher.“ Penny lächelte strahlend wie die Sonne, und ein Kellner brachte ihr einen Salat. „Möchtest du auch einen Salat, Kate? Greg, seien Sie doch so lieb und bringen Sie schnell noch einen Salat für Kate, ja?“

„Ich fliege, Penny.“ Der Kellner konnte nicht schnell genug in die Küche zurückkommen.

„Ich fände es schade, wenn du aus dem Rennen ausscheidest“, sagte Kate. „Du verbreitest nur Freude um dich herum.“

„Ich möchte ein Baby.“ Bei dem Gedanken lächelte Penny.

‚Ach so. Und wie ist es mit einem Ehemann? Willst du den auch?“

„Ja, natürlich.“ Penny schien sich auf den Ehemann allerdings weniger zu freuen als auf das Baby.

„Penny, ich will ja nicht neugierig sein, aber liebst du denn den Mann, den du heiraten wirst?“

„Allan? Na, sicher.“

„Und … weiß er, dass du hier bist?“

„Selbstverständlich. Er weiß, wie gern ich tanze und so, aber er hat beruflich viel zu tun. Er weiß, dass ich ihn nicht betrügen werde. Nur tanzen und mich unterhaken. Es freut ihn, wenn ich mich amüsiere.“

„Ich verstehe.“

Greg kam mit Kates Salat zurück und stellte ihn vor ihr hin, ohne Penny aus den Augen zu lassen. Kate musste seine Hand ein bisschen führen, damit der Teller ihr nicht auf den Schoß fiel.

„Danke.“

„Sonst noch ein Wunsch, Madam?“

„Ich würde gern etwas Warmes essen“, sagte Kate eindringlich.

„Ja, ja, gern.“ Greg riss den Blick von Penny los. „Was möchten Sie denn?“

„Die Speisekarte.“

„Gern, sehr gern. Sofort.“ Greg schnappte eine Karte vom Nachbartisch und reichte sie Kate. Dabei hingen seine Augen schon wieder an Penny.

„Ein überbackenes Putensandwich“, sagte Kate.

Greg lächelte Penny an.

„Putensandwich“, wiederholte Kate.

Keine Reaktion.

„Ich denke, ich nehme das überbackene Putensandwich!“

„Gern, sehr gem.“ Greg verschwand in der Küche.

„Allan vertraut mir, aber manchmal wird er doch eifersüchtig“, gab Penny zu. „Und manchmal glaubt er, ich sei sein Eigentum.“

„Das ist das Einzige, was dich an Männern stört?“

„Was ist denn da sonst noch?“ fragte Penny nach.

„Ich werde dir eine Liste machen.“

„Nein, ich finde die Männer ganz in Ordnung.“ Penny aß von ihrem Salat. „Sie sorgen für dich, das ist doch schön.“

„Sorgt Allan für dich?“

„Oh, ja.“ Penny seufzte auf.

Kate zögerte, doch dann fragte sie doch nach. „Was stimmt denn nicht mit Allan?“

Penny legte ihre Gabel weg. „Er ist langweilig. Wenn er mit mir spricht, denke ich manchmal an Babys oder Kleider oder an Filme, und dann fällt mir ein, dass er spricht, und ich höre wieder zu.“ Penny wirkte zum ersten Mal bedrückt. „Das ist nicht so schlimm, weil ihm das nicht auffällt, aber …“

Kate musste an ihre gescheiterten Verlobungen denken. „Ich war auch mit solchen Männern verlobt. Sie waren so mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, dass sie mich nicht gesehen haben. Heirate ihn nicht.“

„Aber ich will doch Kinder haben. Ich kenne Allan schon seit Jahren. Er ist klug, erfolgreich, und er wird mich und die Kinder versorgen. Kein Mann ist perfekt, aber Allan kommt dem ziemlich nahe.“ Sie nahm die Gabel wieder auf. „Ich bin nicht dumm. Mir ist klar, dass ich ihn nicht liebe und wir nicht die Traum-Ehe führen werden. Aber im Gegensatz zu dir will ich nicht Karriere machen, sondern Kinder großziehen und den Tag mit ihnen verbringen.“ Sie nahm einen Bissen und kaute einen Moment schweigend. „Deshalb brauche ich einen reichen Ehemann, und Allan wünscht sich sogar, dass ich zu Hause bleibe.“

„Tja“, sagte Kate. „Na dann …“

„Ich weiß. Du findest das schrecklich.“

„Nein“, log Kate. „Wenn du es wirklich willst.“

„Das tue ich.“ Penny biss sich auf die Lippe. „Ich werde eine gute Ehefrau werden, aber diese zwei Wochen jetzt habe ich mir verdient. Wahrscheinlich hältst du mich für dumm.“

„Nein“, sagte Kate und stellte zu ihrem eigenen Erstaunen fest, dass das stimmte. „Ich bin nur nicht so ehrlich wie du. Aber ich will es versuchen. Genau wie du habe ich ganz genaue Vorstellungen von meinem Ehemann. Aber leider habe ich meinen Allan noch nicht gefunden.“

„Deshalb bist du also hier.“ Penny sah sich um und beugte sich vor. „Also hier solltest du wirklich keine Schwierigkeiten haben, den Richtigen zu finden.“

„Bislang waren es Fehlschläge“, gestand Kate. „Aber ich gebe nicht auf. Und irgendwann finde ich einen ansprechenden, erfolgreichen Mann.“

„Wenn das nur nicht so langweilig klingen würde“, sagte Penny. „Wieso ist Sicherheit immer so langweilig?“

„Wenn es aufregend wäre, wäre es nicht sicher. Reich muss er nicht unbedingt sein, aber erfolgreich.“

„Verstehe.“ Penny nickte. „Du wirst nicht jünger. Für dein Alter siehst du gut aus, aber du solltest zusehen, dass du bald jemanden findest.“

„Vielen Dank“, erwiderte Kate. Greg brachte ihr einen Hühnchensalat, und Kate wartete, bis er weg war. „In Zukunft komm bitte erst an meinen Tisch, wenn ich schon bestellt habe, Penny.“

Penny lachte leise.

„Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?“ Valerie stand vor dem Tisch und wirkte in ihrem grünen Leinenkostüm sehr kühl.

„Prima“, antwortete Kate. „Ganz ausgezeichnet.“

„Gut. Genauso wünschen Will und ich es uns für unsere Gäste.“

„Will?“

„Will Templeton, mein Chef.“ Valerie lächelte hintergründig. „Und mein Verlobter.“

„Glückwunsch“, sagte Kate.

„Ach, setzen Sie sich doch, und erzählen Sie uns mehr darüber.“ Penny nickte einladend. „Will ist ein sehr netter Mann.“

„Niemand weiß davon“, sagte Valerie und setzte sich. „Manchmal denke ich, Will weiß es selbst nicht.“ Sie lachte auf.

„Männer“, bemerkte Penny mitfühlend. „Sie sind so schwierig.“

„Eigentlich läuft es ganz gut“, widersprach Valerie. „In den drei Jahren, die wir uns jetzt kennen, haben wir uns kein einziges Mal gestritten.“ Sie lächelte versonnen. „Will hat eingesehen, dass ich weiß, was das Beste für uns ist. Wir haben gemeinsam hart am Erfolg dieser Anlage gearbeitet. Und jetzt wird es Zeit, neue Ziele ins Auge zu fassen.“

Kate dachte an ihre eigenen Pläne. „Zusammen arbeiten und leben. Das ist die Ehe, von der ich auch träume.“ Sie blickte Valerie an. „Es muss sehr schön sein.“

Valerie fühlte sich geschmeichelt. „Na ja, dafür bin ich hier gebunden. Hier kann ich mich nur mit den Küchenhilfen unterhalten, und die sind … Sie wissen schon.“

Kate und Penny wechselten einen Blick und sahen dann Valerie wieder an. „Was?“

„Leute vom Land.“ Valerie verzog das Gesicht. „Sie verstehen Karrierefrauen nicht. Frauen wie wir.“

„Wie wir?“ Kate fühlte sich seltsamerweise beleidigt.

„Wie wir?“ fragte auch Penny.

Valerie konzentrierte sich nur noch auf Kate. „Ich wollte mit Ihnen reden, weil Sie mich verstehen.“

Wie lange dauert das denn noch, bis ich wieder nüchtern bin, überlegte Kate fieberhaft. Ich begreife absolut nicht, worauf diese Frau hinaus will.

„Ich habe Sie gestern nicht sofort erkannt. Erst später ist es mir eingefallen. Im letzten Monat war ein Foto von Ihnen in der ‚Business Week’. Ich habe das Heft noch.“ Valerie hob die Augenbrauen. „Ich bin sehr beeindruckt.“

„Nicht nötig.“ Kate schüttelte den Kopf. „Ich stand nur zufällig neben meinem Vater, als die Aufnahme gemacht wurde.“

„Es hieß, Sie seien seine Nachfolgerin. So eine Aufgabe muss wundervoll sein. Ich beneide Sie um dieses Leben in der Stadt. Manchmal glaube ich, hier zu ersticken.“

„Wieso bleiben Sie dann?“ fragte Kate nach.

Valerie zuckte mit den Schultern. „Immerhin habe ich hier mit Will und dem Hotel meine Pläne. Erzählen Sie es nicht weiter“ – sie senkte die Stimme – „aber als Nächstes planen wir eine Country-Bar mit Musikbox und Billardtischen.“

„Klingt gut“, sagte Kate und überlegte, was daran so geheimnisvoll war.

„Gibt es in ‚Toby’s Corner’ nicht eine Bar?“ fragte Penny nach.

„Ja, Nancy hat eine.“ Valerie winkte ab. „Die zählt nicht. Die Frau hat keine Ahnung, wie man Geschäfte macht. Sie schließt nur die Tür auf und verkauft ihren Gästen Bier.“

„Wie sonst sollte man eine Bar führen?“ erkundigte Kate sich.

„Hören Sie, aus diesem Lokal könnte man eine Goldmine machen. Aber da die Frau ihre Chance nicht ergreift …“ – Valerie lächelte zufrieden – „werden Will und ich unsere eigene Bar eröffnen.“

„Was wird dann aus Nancy?“ hakte Penny nach.

Valerie hob die Schultern. „So läuft das Geschäft eben.“

„Sie würden meinem Vater gefallen.“ Kate zog sich etwas zurück.

„Danke sehr.“

„Wann heiraten Will und Sie denn?“ fragte Penny.

„Bald. Eine große Hotelkette ist an mir interessiert, und wenn sie mir ein Angebot machen, muss Will sich entscheiden. Er wird einsehen, dass er ohne mich nicht auskommen kann und wissen, was er zu tun hat.“

Kate und Penny blickten sich an.

„Sind Sie hier einer der Partner?“ fragte Kate verwirrt. „Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.“

Verärgert runzelte Valerie die Stirn. „Will hat hiermit vor zehn Jahren angefangen, und vor fünf Jahren hat er einen Teilhaber bekommen, der ihm in keiner Weise hilft. Vor drei Jahren kam ich hierher und habe Will gezeigt, dass er auch noch andere Dinge als Golfplätze anbieten muss, um seine Gäste zu unterhalten. Denken Sie an die Hawaii-Party gestern.“

Beim Gedanken daran zuckte Kate innerlich zusammen.

„Tja, das war meine Idee. Ich habe viele solche Ideen, und deshalb bin ich unersetzlich.“

„Sie Glückliche.“ Kate wollte am liebsten weit weg von Valerie, als könnte sie sich bei ihr anstecken. Sie wollte nicht so ehrgeizig und unmenschlich werden. Strahlend lächelnd stand sie auf. „Ich muss mich beeilen. Ich spiele gleich mit Peter Golf.“

„Oh, der sieht reich aus“, stellte Penny fest. „Viel Glück.“

„Viel Glück?“ Valerie blickte Kate fragend an.

„Für das Golfspiel“, erklärte Kate. „Da brauche ich alles Glück, was ich bekommen kann.“

„Tja, dann wünsche ich Ihnen auch viel Glück“, meinte Valerie. ‚Bei Gelegenheit müssen wir uns wieder zusammensetzen und uns unterhalten. Wir haben so viel gemeinsam.“

„Das wäre wunderbar“, schwindelte Kate und versuchte, nicht angewidert zu wirken. „Wirklich.“

„Bis dann“, entgegnete Valerie. Ich sehe in Ihnen mein großes Vorbild.“

„Wie schmeichelhaft“, sagte Kate und entfernte sich langsam. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was mir das bedeutet.“





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