Aschenpummel (German Edition)

chapter 14

Nachdem ich das Schuh-Bi abgeschlossen hatte, führte mich der Doktor auf die andere Straßenseite, wo er den Peugeot geparkt hatte. Als wir an der Tierhandlung vorbeikamen, hüpfte Batman an mir hoch. Ich tätschelte seinen Kopf.

»Oh, der Hund mag Sie«, stellte Strohmann fest.

Ich nickte stolz. »Ja, wir sind ganz dicke Freunde – äh, also ganz feste … gute Freunde. Nicht wahr, Batman? Das sind wir, ja, das sind wir.« Batman schnüffelte an meinen Waden.

»Na dann, mein Süßer«, säuselte ich, »bis morgen!«

Doch Batman schnüffelte weiter. Und plötzlich versenkte er seine Schnauze zwischen meinen Beinen, als hätte ich dort seinen Futternapf versteckt. Ich stieß ein gequältes Lachen aus und versuchte Batmans Kopf zurückzuschieben und gleichzeitig so auszusehen, als wäre mir das Ganze überhaupt nicht peinlich.

Der Zahnarzt fixierte angestrengt einen Punkt über meinem Kopf: »Ich kannte auch mal einen Hund«, begann er, während ich Batmans Kopf mit beiden Händen packte und schnell feststellen musste, dass das geliebte Hundsvieh mir kräftemäßig weit überlegen war. Aus den Augenwinkeln sah ich Strohmanns Blick nach unten schweifen und gleich darauf wieder nach oben schnellen.

»Der Hund, den ich da kannte, der hatte die Angewohnheit, jedes Bein, das er sah, anzu-, er … er glaubte wohl, dass das jeweilige Bein eine attraktive Hundedame ist. Ähm, was ich damit sagen will, ist, dass Hunde, also die Spezies Hund an sich manchmal ein durchaus eigenartiges Verhalten an den Tag legen kann, das wir Menschen, historisch gesehen und vor allem auch medizinisch gesprochen …«

In dem Moment zog Batman seinen Kopf zurück, ich war frei. Der Zahnarzt unterbrach sich in der Sekunde und deutete nach links. »Da steht der Wagen.«


Der Peugeot war schwarz, was ich gar nicht glauben konnte. Ich in einem coolen, schwarzen Auto?

»Leider hat er keine Klimaanlage, aber die könnte man jederzeit einbauen lassen«, erklärte Strohmann, während wir uns auf die Sitze zwängten, er auf die Fahrerseite, ich daneben. Klimaanlage, wer brauchte denn so was? Der Peugeot hatte etwas viel Besseres.

»Da sind ja elektrische Fensterheber«, rief ich begeistert aus. Mama würde stolz auf mich sein, so was hatte sie immer gewollt.

»Vorne, ja«, erwiderte Strohmann. »Die Herrschaften auf den hinteren Plätzen werden leider zu kurbeln haben.«

»Das macht nichts. Hinten fährt eh nie jemand mit«, sagte ich automatisch.

Strohmann drehte den Zündschlüssel. Der Motor schnurrte, ich liebte das Auto.

»So, liebste Teddy, dann werden wir einmal loslegen. Ich werde auf die Höhenstraße auf einen Parkplatz fahren, dort werden wir die Plätze tauschen, und dann können Sie in Ruhe üben. Mit einer Gangschaltung sind Sie zumindest rein optisch ja wohl vertraut. Erster Gang links vor, zweiter Gang links zurück, dritter Mitte vor, vierter Mitte zurück, fünfter rechts vor und den Rückwärtsgang haben wir rechts hinten. Zum Losfahren nehmen wir immer den ersten Gang … ich hebe den linken Fuß, lasse die Kupplung ganz langsam kommen und der rechte Fuß am Gaspedal übernimmt, den linken Fuß habe ich jetzt ganz weg von der Kupplung … raus aus der Parklücke, blinken nicht vergessen und … linker Fuß auf die Kupplung und zweiter Gang, linker Fuß wieder weg von der Kupplung, rechter Fuß gibt vorsichtig Gas, raus aus der Gasse, blinken, vom Gas gehen, rollen lassen, ich kann im zweiten Gang bleiben, solange er rollt … und linker Fuß auf die Kupplung und dritter Gang, rechter Fuß gibt Gas, linker Fuß weg von der Kupplung. Alles klar?«

Ich starrte ihn an. Liebste Teddy hatte er gesagt.

Man kann sagen, dass ich die Fahrt zur Höhenstraße bis zu einem gewissen Punkt fast genoss. Es war schön, kutschiert zu werden. Noch dazu in diesem schwarzen, funktionierenden, elektrofenstrigen Auto, in dem die Haare des Zahnarztes im Fahrtwind flatterten. Mir fiel auf, dass seine Haut- und seine Haarfarbe sehr ähnlich waren. Irgendwie war beides dunkelblond. Oder ein sehr helles Nussbraun. Mein Magen knurrte, ich hatte viel zu wenig gegessen und plötzlich das Gefühl, auf der Stelle sterben zu müssen, wenn ich nicht sofort eine Nusstorte bekam. Dabei machte ich mir gar nichts aus Nüssen. Trotzdem wollte ich nichts lieber als ein dickes, cremiges Stück Nusstorte, und je länger ich den Zahnarzt ansah, desto dringender wurde das Bedürfnis.

»Woran denken Sie, Teddy?«

»An –«, und in dem Bemühen etwas besonders Geistreiches und Tiefgründiges von mir zu geben, sagte ich: »An einen Sommer wie damals.« Woher hatte ich das denn? Aus der Werbung? Doch zu meinem Glück schien der Zahnarzt mit der Antwort zufrieden zu sein, er hakte nicht nach und wandte sich dem nächsten Thema zu.

»Wollten Sie immer schon Schuhverkäuferin sein, Teddy?«

»Ich weiß nicht … ich glaube nicht.«

»Sie glauben?«

Ich räusperte mich. »Nun ja, ich … ich hab’s nicht so mit Prüfungen, darum musste ich die Schule abbrechen, mit sechzehn … und damals habe ich gleich im Schuh-Bi-Dubi-Du angefangen. Gewollt habe ich wahrscheinlich nicht, aber heute bin ich ganz froh, es ist kein schlechter Job.«

»Und vermissen Sie Ihren Chef, den Hans?«

Ich nickte. »Ja, schon. Er war lustig und … und gut.«

»Stimmt es denn, dass er Sinatra kannte?«

»Oh ja, sie haben sich eine Nacht lang gekannt.« Und zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage erzählte ich die Story von der Namensgebung des Schuh-Bi-Dubi-Du.

Der Zahnarzt runzelte die Stirn. »Erstaunliche Geschichte. Und die Andenken hat er im Geschäft aufgehängt?«

»Mmhm, aber kurz vor seinem Tod hat er sie abgenommen.«

Der Zahnarzt warf mir einen Blick zu. »Und warum das?«

Ich schüttelte den Kopf. »Das hat er mir nie verraten. Manchmal war der Hans sehr eigenbrötlerisch, wissen Sie? Er meinte nur, ich solle mir keine Sorgen machen, er würde sie schon wieder aufhängen. Aber dann ist er gestorben.«

»Verstehe«, sagte der Zahnarzt gedehnt. »Dann hat er sie wahrscheinlich versteckt, oder? Vielleicht«, er schnippte mit den Fingern, »haben die Sachen den Schuhladen ja nie verlassen.«

Ich zuckte mit den Schultern.

»Sie haben Glück«, fuhr der Zahnarzt fort, »dass ich mir nichts aus Sinatra mache.«

»Wieso hab ich da Glück?«

Er lachte. »Na, weil ich sonst sicher einen Tunnel von meiner Praxis in Ihr Geschäft graben würde, hahaha.«

Ich runzelte die Stirn. Das also wollte er von mir, ich sollte ihm Hans’ Schatz ausgraben. Deshalb das ganze Wadenmassieren und Autoschenken, deshalb die »liebste Teddy«. All das hatte rein gar nichts mit meiner neuen Ausstrahlung zu tun. Ha, was für eine neue Ausstrahlung überhaupt? Vor lauter Frust bekam ich Bauchschmerzen.

Er bog auf einen Parkplatz ab, auf dem sonst noch drei andere Autos standen. Von den Besitzern war nichts zu sehen.

»Sodala, liebste Teddy, jetzt sind Sie an der Reihe. Mit frohem Mut ran an die Maschinen.«

»Ich kann das Auto nicht annehmen«, sagte ich mit belegter Stimme. Sollte Mama mich doch fertigmachen, auf keinen Fall, auf gar keinen Fall, würde ich mich auf diesen schrecklichen Tauschhandel einlassen. Nicht in tausend Jahren würde ich Hans’ geliebte Sinatrasammlung einem Unwürdigen geben, nicht für alle Autos dieser Welt.

»Was soll das heißen?«

Natürlich begann ich zu stammeln. »Ich äh, ich glaube, Sie wollen … Sie sind nur interessiert an der … Sie wollen die Sachen von Frank Sinatra – natürlich, ich hab natürlich auch nie angenommen, dass Sie mir einfach nur so ein Auto geben würden, und natürlich steht Ihnen dafür etwas zu, sehr vieles natürlich – aber es tut mir sehr leid, das kann ich nicht … und außerdem«, fügte ich hinzu, »weiß ich auch gar nicht, wo sich die Sachen befinden, also kann ich es tatsächlich nicht, nicht mal wenn ich wollte. Was ich aber eh nicht dürfte, das wäre Hans gegenüber nicht fair … ich, es tut mir sehr leid, ich werde jetzt aussteigen –«

Doch ich stieg nicht aus. Etwas am Gesichtsausdruck des Zahnarztes hinderte mich daran. Seine Lippen waren leicht geöffnet, die Augenbrauen nach oben gezogen, so dass auf seiner Stirn kleine Fältchen lagen.

»Teddy«, stieß er hervor. »Oh Teddy, sagen Sie nichts mehr. Ihre Vermutungen treffen mich hart. Ich habe doch nur ein Gesprächsthema gesucht, bei dem Sie sich wohlfühlen. In keinster Weise wollte ich mich irgendwie durch Sie bereichern und ich darf Ihnen versichern – bei allem, was mir heilig ist –, dass ich keinerlei Interesse an Sinatra habe. Sollte man mir Hintergedanken irgendeiner Art in Bezug auf Sie vorwerfen können, so hätten sie jedenfalls nichts, aber auch gar nichts Materielles an sich.«

»Hintergedanken in Bezug auf … mich?«, stotterte ich. Und fügte hinzu: »Was für welche denn?« Sosehr ich den Piraten auch liebte, war es verwerflich, dass ich mich ein einziges Mal in meinem Leben als Sexobjekt fühlen wollte? Natürlich hatte ich nicht vor mitzumachen – ich war schließlich die Braut des Piraten –, aber an diesem Abend im Auto wollte ich um jeden Preis, dass der Zahnarzt mich wollte.

»Ach, Teddy«, antwortete er, »wissen Sie denn nicht, dass ein hartes Wort aus Ihrem Mund mich mehr verletzt, als eine Waffe es jemals könnte?«

Ich musste die Lippen zusammenpressen, um mich daran zu hindern, irgendeinen Unsinn daherzuplappern. Wen interessierte es schon, was der Zahnarzt tatsächlich von mir wollte? Das was er sagte, war so romantisch, dass ich mir vorkam wie Jane Eyre an der Stelle, wo Mr. Rochester sich ihr endlich offenbarte.

»Es tut mir leid«, flüsterte ich, »ich wollte Sie nicht verletzen.«

Er nahm meine Hand und zog sie an seine Lippen. Er hielt den Blick auf mein Gesicht gerichtet, als er einen Kuss auf meine Handinnenfläche gab. Ja richtig, die Handinnenfläche! Das hatte nichts mehr mit Galanterie zu tun, das war … Sex. Mehr Sex als Mr. Rochester auf fünfhundertfünfzig Seiten zustande brachte. Und diese nussblonde Ausgabe von Traummann sah mich immer noch an. Ich musste etwas tun!

Ich grinste. Von einem Ohr zum anderen. Gar nicht mehr aufhören konnte ich. Ich grinste so lange, bis ich Gefahr lief zu heulen. Da endlich ließ der Zahnarzt meine Hand los. »Jetzt wollen wir die Plätze tauschen, hmm?«

»Mmhm«, machte ich und stolperte aus dem Wagen. Shiti, Shiti, Shiti, was war das nur, was sollte ich tun, wie sollte ich das hier überleben, war ich verliebt? Ja, in den Piraten natürlich! Aber der Zahnarzt, war er? War er in mich –? Shitiiiiiiiiii…

Als ich mich auf den Fahrersitz sinken ließ, musste ich schon wieder grinsen. Shit, verfluchter, hör doch endlich auf damit!

»Haben Sie sich gemerkt, was ich Ihnen über die Gangschaltung erzählt habe?«

»Mmhm.«

»Dann bitte den linken Fuß auf die Kupplung, den rechten auf die Bremse, den ersten Gang einlegen – nein, nein, nicht so, mit Gefüüühl, mit Gefüüühl … machen wir es gemeinsam … jaaa, spüren Sie meine Hand? Jaaa, so ist es gut, jaaa …«

Ich würgte das Auto vierzehn Mal hintereinander ab. Danach nahm der Zahnarzt die Hand von meiner und meinte, es wäre wohl besser, morgen weiterzumachen. Ich war derselben Meinung.

Er brachte mich nach Hause. Ich bemühte mich, geradeaus durch die Windschutzscheibe zu schauen, doch in Wirklichkeit schielte ich dauernd nach links. Sein Gesicht war so entschlossen, alles an ihm drückte Manneskraft und Selbstvertrauen aus. Er sah so völlig anders aus als der Pirat.

Vielleicht würden sich zehn von zehn Frauen für den Zahnarzt entscheiden, ich jedoch war die Elfte. Für mich war der Zahnarzt der Spatz und der Pirat die Taube oder so ähnlich. Als mir klar wurde, dass die dicke, ungeschickte Teddy Kis den schönen, begehrten Hubertus Strohmann gerade als »Spatz in der Hand« bezeichnet hatte, musste ich nach Luft schnappen. Ich lehnte den Kopf aus dem Fenster, hatte jedoch vergessen, das Fenster zu öffnen. Ich erschrak selbst über das laute »Klong«.

»Haben Sie sich was getan, Teddy?«

Ich spürte seine Hand auf meinem Knie. Ich schüttelte den Kopf, und die Hand fing an zu kneten. Da bekam ich es doch mit der Angst zu tun. Was wenn er sich jetzt wirklich auf mich stürzte? Ich konnte doch nicht – der Pirat … Seine Hand knetete weiter. Vielleicht stand er einfach auf Fett. Es gab doch solche Männer, oder? Die mästeten ihre dicken Frauen, damit sie noch dicker wurden und noch mehr zum Greifen da war. Ja, bestimmt war es so.

Und ich war dafür natürlich eine hervorragende Kandidatin. Erstens war ich von Natur aus dicklich, und zweitens erkannte doch ein Blinder, wie leicht ich zu beeinflussen war. Ein Mann wie der Doktor brauchte doch nur mit dem Finger zu schnippen und »friss« zu sagen, schon würde ich die Nusstorte in mich reinstopfen. Und noch ein Stück und noch ein Stück, Gott, ich war so hungrig, ich könnte in einer Torte baden. Und danach ein ganzes Wildschwein essen, so wie Obelix es am Schluss immer tat, das hatte ich schon immer gewollt. Ein goldbraun gegrilltes Wildschwein … in meinem Bauch gurgelte es.

Ich wurde stocksteif.

»Was war denn das?«, fragte der Zahnarzt und nahm die Hand von meinem Knie.

»Keine Ahnung … der Peugeot?« Da gurgelte es wieder. Ich hielt den Atem an. Aus dem Gurgeln wurde ein Grollen. Ich drückte die Hand auf meinen Bauch, spannte die Pobacken an, musste wahnsinnig dringend – verdammt! Ein Pups! Zum Glück ein leiser, aber das sind ja die schlimmsten! Ich presste meinen Zeigefinger auf den Fensteröffner. Der Zahnarzt ächzte. Dann würgte er.

»Meine Güte, Teddy, schließen Sie nur schnell das Fenster. Da draußen stinkt es ja bestialisch.« Er würgte noch einmal. »So was habe ich in meinem Leben noch nicht gerochen. Der Gestank muss direkt aus der Hölle kommen!«

In meinem Bauch stach es fester und grollte es lauter. Verzweifelt drückte ich meine linke Hand dagegen, während meine rechte zunehmend panisch den Fensterknopf drückte.

Lieber Gott, bitte, mach, dass es aufhört, bitte. Ich verspreche, ich werde nie wieder, nie wieder Abführmittel nehmen! Das Stechen wurde tatsächlich leichter, sogar das Grollen senkte die Lautstärke. Wohl deswegen, weil die ganze Schose in meinem Darm weiter in Richtung Ausgang gewandert war. Da wollte eindeutig was raus. Dringend. Aber keine Luft. Material.

»Woran denken Sie, Teddy?«

»An einen Sommer wie damals«, quetschte ich hervor und ließ das Fenster erneut herunter.

Wir fanden einen Parkplatz direkt vor meinem Haus. Ich stieß die Tür auf. Der Zahnarzt legte seine Hand auf meinen Arm. »Ich fand es sehr schön heute Abend, Teddy.«

Ich versucht zu lächeln. Wenn ich nicht gleich auf ein Klo kam, dann –

»Und ich finde Sie schön, Teddy.«

Ich schluckte. Und musste vor lauter Aufregung direkt wieder pupsen. »Bis morgen dann«, hauchte ich und stieg aus dem Wagen – heilfroh, dass ich das Fenster noch mal geöffnet hatte.

Ich rannte über die Straße und galoppierte das Stiegenhaus hoch.

Nie wieder! Nie, nie wieder Abführtabletten! Eineinhalb Stunden hatte es gedauert, bis ich endlich unter die Dusche konnte. Ehrlich, das war es nicht wert.

Nach der Dusche rekapitulierte ich noch einmal die Geschehnisse des Abends. Der Zahnarzt fand mich schön, das sagte er zumindest. Warum musste mir das so imponieren? Da hatte ich den feingeistigen Piraten, der die Geschichte von Hans und Frank Sinatra in all ihrer großartigen Bedeutung verstanden hatte, der sensibel und tiefgründig war, den ich seit vier Monaten liebte, den ich heiraten wollte, für dessen Eltern ich der Welt beste Schwiegertochter werden wollte, und dann ließ ich mich von ein paar gesäuselten Worten und dem bisschen Hand auf meinem Knie derart schwer beeindrucken. Dabei mochte der Zahnarzt nicht mal Frank Sinatra. Also bitte!

Vielleicht war das Problem aber auch, dass ich den Piraten eben nicht hatte, ich hatte ihn einfach nicht, und konnte auch nicht sagen, ob ich ihn jemals haben würde, wohingegen der Zahnarzt … tja, eben der Spatz in der Hand.

Außerdem war der Zahnarzt Mr. Rochester, er war leidenschaftlich und … ja, und was? Ich stellte mich seitlich zum Spiegel. Mein Bauch und mein Hintern standen genauso weit raus wie immer. Und das obwohl ich den Hunger meines Lebens hatte.


Eine knappe Stunde später war mir wieder schlecht. Ich hatte sämtliche tiefgekühlte Fleischvorräte in eine Pfanne geschmissen und aufgegessen. Danach hatte ich eine tiefgekühlte Tiramisutorte in die Mikrowelle befördert, um sie anschließend schaufelweise in mich reinzustopfen. Außen zerronnen, innen steinhart. Die Zähne taten mir weh. Achthundert Gramm Torte. Und davor ein Kilo Fleisch. Mir war so schlecht, ich wollte sterben.

Als ich um Mitternacht wieder auf dem Klo saß, beschloss ich, dass ein Punkt 8 auf meine To-do-Liste kommen musste: Bekomme dein Essverhalten in den Griff!

Miedler, Nora's books